Leben mit Dyskalkulie – Katrins Geschichte

Heute bin ich auf Facebook über einen sehr berührenden Beitrag einer jungen Frau mit Dyskalkulie gestolpert. Ich habe mit Katrin sofort Kontakt aufgenommen und um Erlaubnis gebeten, ihre Geschichte hier mit euch zu teilen.  Katrin erzählt euch, wie das Leben mit Dyskalkulie sein kann: Leider nicht immer einfach! Aber mit Menschen an unserer Seite, die uns unterstützen und an uns glauben, kann trotzdem alles gut werden. Um diese Unterstützung erfahren zu können, ist es wichtig, dass Vertrauenspersonen, wie Eltern und vor allem Lehrkräfte, gut über Lernstörungen informiert sind. Katrin möchte mit ihrer Geschichte ihren Beitrag dazu leisten:  


Hallo ihr Lieben!

… Für alle möglicherweise verzweifelten Eltern möchte ich einfach mal meine Geschichte teilen, um Mut zu machen. 😊

Ich bin Katrin 23 Jahre aus Linz und arbeite mittlerweile als Fachsozialbetreuerin.
Meine Dyskalkulie zeigte sich eigentlich von der ersten Klasse an. Während 2+3 für meine Mitschüler kein Problem war, kämpfte ich damit.
Meine Mama saß mehrere Stunden mit mir an den Hausaufgaben.... Legte mir stifte auf die ich Zählen sollte.... es funktionierte nicht. "Du brauchst doch nur die Stifte zu zählen." Nein ... es funktionierte nicht. Das Verständnis der Lehrerin war so ungefähr null. Ich musste oft nach Schulschluss noch sitzen bleiben bis ich mit dem Arbeitsblatt fertig war. In Augen der Lehrerin war ich einfach verträumt und faul. Das führte dazu das ich die Ergebnisse geraten habe einfach um etwas stehen zu haben.

Nachdem ich einfach zu langsam war wurde ich irgendwann aus der Klasse rausgenommen und wurde einzeln unterrichtet. Das klappte soweit ganz gut bis zur dritten Klasse. Während die Klasse auf aktuellem Stand war, war ich auf den Stand eines 2 Klässlers und das mehr schlecht als recht. Nach wie vor waren alle der Meinung ich müsste mich doch einfach nur mal konzentrieren mich bemühen und üben. Ich hatte Wut und Heul Ausbrüche bis zum geht nicht mehr und irgendwann auch Psychosomatische Beschwerden. (Bauchweh, Übelkeit)
Man muss sagen das zu meiner Zeit die Dyskalkulie noch sehr unerforscht war. Irgendwann sah meine Mama eine Doku darüber im Fernsehen und sie wusste sofort, dass ich das auch haben muss. Sie ging zu meiner Lehrerin und sagte: "Ich habe etwas gesehen über Rechenschwäche. Ich bin mir sicher meine Tochter hat das." Ihre Antwort darauf war: "Ach ... sowas gibt es in Österreich auch? Ja kann sein"
Meine Mama begann zu recherchieren und bekam einen Termin beim Rechenschwächeinstitut in Wien. Dort fanden zahlreiche Tests und Untersuchungen statt die eindeutig waren.
In der 3 Klasse war dann klar, dass ich mit dem Stoff nicht mehr hinterherkommen werde, worauf hin meine Mama entschieden hat mich die 3 Klasse wiederholen zu lassen. Daraufhin begann meine Mobbing Karriere. Schüler bekamen mit das ich eine Klasse zurückgestuft wurde. Ihr wisst wie gemein Kinder sein können.
Auch die neue Lehrerin war nicht gerade verständnisvoller als die letzte. Sie lies mich an der Tafel vorrechnen obwohl sie genau wusste das sie mich damit bloßstellt, weil die Aufgaben zu schwer sind. Sie hat mich regelrechte "vorgeführt".
Seitenweise Hausaufgaben habe ich bekommen obwohl sie wusste das ich diese nicht schaffe. Meine Mama hat dann schon die Aufgaben für mich gemacht, weil wir einfach nicht mehr wussten was wir machen sollten.
Förderung bekam ich keine.
Mit Ach und Krach schaffte ich die 4 Klasse und wurde dann ab der Hauptschule nach den Sonderschulpädagogischen Bedarf unterrichtet. Auch da wurde das Mobbing nicht gerade besser, weil ich war ja ein I Kind (Integrationskind) und somit dumm oder unfair, weil meine Aufgaben natürlich leichter waren.
Es war schnell klar, dass ich im Sozialbereich arbeiten möchte. Mir wurde allerdings gesagt das ich das mit dem Sonderschulpädagogischen Bedarf im Zeugnis vergessen kann.
Ich sollte doch einfach eine "normale" Lehre machen.
Das wollte ich allerdings nicht und schaffte ich auch nicht da ich dann mit Ende der Hauptschulzeit psychisch am Ende war und Garnichts mehr ging. Zudem hatte ich 2011 eine Gehirnblutung wodurch ich lange im Krankenhaus war und mir wieder Stoff fehlte. Ich hatte 1 Jahr nach der Hauptschule einen Klinikaufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik und machte viele Berufsbildungskurse. Wohnte auch in einer Wohngruppe für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Der Traum vom Sozialbereich sollte ich mir vor allem mit Beginn meiner psychischen Erkrankung abschminken. Ich habe aber nie aufgegeben und mit Anfang 2017 die Ausbildung zur Kindergartenhelferin begonnen. Die Ausbildung viel mir eigentlich nicht recht schwer da es ja immer mein Traum war und Mathematik brauchte ich dort nicht. 😂
Da wurde dann aber langsam auffällig das ich ein sehr schlechtes Leseverständnis habe. Ich lese zwar aber habe keine Ahnung was da steht.
Rechtschreibtechnisch fiel ich auch nicht gerade positiv auf. Natürlich war das in der Grund- und Hauptschule auch schon ein Problem aber nicht so sehr wie das Rechnen daher hat man das denk ich übersehen oder als nicht so wichtig empfunden.
Ob ich auch eine Legasthenie habe weiß ich nicht da ich mich nicht testen lassen habe und wahrscheinlich auch nicht werde. Bringt mir jetzt nichts mehr 😂.
Wie auch immer habe ich trotz der Problematik die Ausbildung mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen, ein FSJ gemacht und im Anschluss die Ausbildung zur Fachsozialbetreuerin für Behindertenbegleitung.
Mittlerweile habe ich durch die Dyskalkulie nur noch wenige Einschränkungen. Ich kann nicht oder nur unter Schweißausbrüchen mit Kleingeld bezahlen (muss ich ja aber auch nicht...)
Ich kann nach wie vor kein Einmaleins, kann 12+18 nicht im Kopf rechnen, aber auch das muss ich nicht.
Womit ich wohl die meisten Probleme hab ist das Einteilen von Finanzen bzw. den Überblick über Finanzen zu haben was mir aber dennoch mit etwas Unterstützung gut gelingt.
Sobald ich mit großen Beträgen konfrontiert werde habe ich Panik und bin Überfordert aber wie gesagt habe ich hierbei Unterstützung.
Kassatätigkeiten in der Arbeit muss ich aufgrund der Dyskalkulie nicht machen.
Also: Lange rede gar keinen Sinn.
Ihr seht, trotz schwerem Weg ist etwas aus mir geworden. Und ich bin vielleicht sogar glücklicher als andere, weil ich weiß was es heißt, wenn man um Dinge kämpfen muss. In all der Zeit hat mich meine Mama immer unterstützt und hat an mich geglaubt obwohl lange keiner an mich geglaubt hat. Daher mein Tipp an alle Eltern da draußen: Zeigt euren Kids das ihr an sie glaubt. Unterstützt eure Kinder in all ihren Träumen auch wenn diese auf den ersten Blick unrealistisch Erscheinen.
Alles geht, wenn man es will auch wenn es Menschen mit LRS oder Dyskalkulie oft schwerer haben als andere und eben vielleicht länger brauchen.
Nach all den Strapazen ist es nun mein größter Traum in ein paar Jahren auch Mama zu werden und mein Kind genauso zu unterstützen wie meine Mama es immer getan hat und immer noch tut.
Danke für euer Interesse und alle die bis hier her gelesen haben.
Bleibt am Ball es wird alles gut. ❤️
Alles Liebe
Katrin 😊

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