Groß- und Kleinschreibung - So einfach geht’s!

Auf einer Webseite, die die Groß- und Kleinschreibung ganz einfach erklären möchte, fand ich doch tatsächlich 7 Regeln zur Kleinschreibung und 5 Regeln zur Großschreibung. Naja, dachte ich mir, warum einfach, wenn‘s auch kompliziert geht.

Bis vor drei Jahren hatte ich keinen befriedigenden Ansatz zur Erklärung der Großschreibung, bis mir ein Kollege seine Herangehensweise erklärte. Warum ich sofort begeistert war und wie ich diesen neuen Ansatz sofort in meine LRS-Förderung integrierte und seitdem erfolgreich mit meinen Therapiekindern nutze, habe ich euch in diesem Blogbeitrag zusammengefasst.

Eine Regel – zwei Ausnahmen

Für die Groß- und Kleinschreibung in der deutschen Sprache gibt es eigentlich bloß eine Regel mit nur zwei Ausnahmen.

Die Regel

Man schreibt alles klein.

Die Ausnahmen von der Regel

  1. Satzanfänge und
  2. alle als Nomen verwendete Wörter im Satz

schreibt man immer groß!

Warum gibt es dann trotzdem so viele Schwierigkeiten mit der Großschreibung?

Wie man unschwer erkennen kann, macht nicht die Regel die Probleme, sondern vor allem die zweite Ausnahme – das Erkennen des Nomens. Dass manche Kinder sogar Schwierigkeiten beim Erkennen der Satzgrenzen haben und in ihren Aufsätzen alles klein, in einer Wurst, ohne Punkt und ohne Komma schreiben, ist wieder eine andere Geschichte. Darauf werde ich bei Bedarf gerne in einem anderen Blogbeitrag eingehen.

Alles was du angreifen oder sehen kannst, schreibst du groß!

In der Schule lernen die Kinder viele verschiedene Tricks bzw. Regeln, wie sie Nomen erkennen können. Einer der ersten Tricks lautet:

Alles was du angreifen oder sehen kannst, schreibst du groß!

Hier kommen viele schnell ins Grübeln. Kann ich den Mond angreifen, obwohl er so weit weg ist? Warum schreibe ich dann Luft groß, obwohl ich Luft nicht angreifen und nicht sehen kann? Diese Regel, die sich auf die sogenannten konkreten Nomen bezieht, ist also sehr begrenzt anwendbar und stößt schnell an ihre Grenzen.   

Die Begleiterprobe – Oder die Geschichte mit dem Ja, aber …

Ebenso viel Verwirrung tritt meiner Erfahrung nach mit folgender Regel auf: Wenn man vor ein Wort einen Begleiter setzen kann, schreibt man es groß! Zumindest bei den beiden oben genannten Beispielen scheint die Regel zu funktionieren: der Mond und die Luft. Alles klar, jetzt wissen wir warum wir den Mond und die Luft großschreiben müssen, obwohl wir beides nicht angreifen können.

An dieser Stelle beginnt jetzt unsere Geschichte:
Klein Maxi hat gelernt, dass man alle Namenwörter großschreibt. Namenwörter erkenne er daran, dass er einen Begleiter davorsetzen könne, meint seine Mama im Homeschooling. Im Aufsatz schreibt Maxi: Wir Laufen in den Garten und Spielen Fußball.

Mama: Maxi, laufen und spielen schreibt man klein.

Maxi: Ja, aber man kann doch das Spielen und das Laufen sagen, also schreibt man es groß.

Mama: Ja, aber diese Regel gilt nicht für Tunwörter. Tunwörter schreibt man immer klein.

Maxi setzt das Schreiben seines Aufsatzes fort: Das spielen im Garten machte uns sehr viel Spaß.

Mama: Maxi, wenn du vor einem Wort einen Begleiter stehen hast, musst du es großschreiben, auch wenn das Wort ein Tunwort ist.

Maxi: Ja, aber du hast doch gerade gesagt, dass man Tunwörter immer kleinschreibt.

Mama: Ja, aber die Regel gilt eben nicht, wenn direkt davor ein Begleiter im Satz steht.

Seufzend bessert Maxi seinen Fehler aus und fährt mit dem Schreiben fort: Das Laute lachen störte unsere Nachbarn.

Mama: Maxi, laute ist doch ein Eigenschaftswort, Eigenschaftswörter schreibt man immer klein.

Maxi: Aber Mama, du hast doch gerade gesagt, wenn im Satz direkt vor dem Wort ein Begleiter steht, muss ich es großschreiben.

Mama: Ja, aber nicht bei Eigenschaftswörtern. Der Begleiter gehört doch in diesem Satz zum Wort Lachen, also schreibst du Lachen hier groß.

Kopfschüttelnd macht sich Maxi wieder an den Text: Leider hat alles schöne auch ein Ende.

Mama: Nach alles, nichts, etwas und  vieles schreibt man Eigenschaftswörter doch groß, Maxi. Das solltest du doch wissen!

Maxi: Maaaamaaa!!!!!!!!

Wütend schleudert Maxi seinen Stift in die Ecke und beschließt nie wieder ein Wort zu schreiben.

Die Adjektivprobe – Eine Regel die fast immer anwendbar ist!

Eine Regel viele Ausnahmen. Auf Wortebene funktioniert die Begleiterprobe gut, solange man die Kinder darauf hinweist, dass sie eben nicht für Verben gilt. Auf Satzebene kommt man jedoch schnell in Argumentationsnot, wenn man die Großschreibung mit der Begleiterprobe erklären möchte. Um ehrlich zu sein hatte ich mich auch über 20 Jahre lang mit der Begleiterprobe herumgeschlagen. Die Geschichte von Maxi ist eine Kompaktzusammenfassung der verschiedenen Argumente, die ich von meinen Therapiekindern in diesen Jahren gehört habe. Und so wie Maxis Mama bin auch ich mit meinen Argumenten von einer Ausnahme zur nächsten gestolpert.

Seitdem sind einige Jahre vergangen, in denen ich mich intensiv mit der Didaktik der syntaxbasierten Großschreibung auseinandergesetzt habe. Diese ist eigentlich schnell erklärt:

Kann man vor ein Wort im Satz ein Adjektiv mit einer Endung setzen, schreibt man es groß!

Gehen wir nun unsere Ausnahmen von vorne hin alle einmal durch:

Der Mond war gut zu sehen.
Der helle Mond war gut zu sehen.  

Sie schaute lustlos in die Luft.
Sie schaute lustlos in die stickige Luft.

Wir laufen in den Garten und spielen Fußball.
Wir laufen in den großen Garten und spielen mit dem alten Fußball.

Das Spielen im Garten machte uns sehr viel Spaß.
Das gemeinsame Spielen im grünen Garten machte uns großen Spaß.

Das laute Lachen störte unsere Nachbarn.
Das laute Lachen störte unsere verärgerten Nachbarn.

Nun stoßt die Adjektivprobe ehrlicherweise zum ersten Mal an ihre Grenzen:

Leider hat alles Schöne auch ein Ende.
Leider hat alles Schöne auch ein Ende.

Nach alles, nichts und etwas schreiben wir Adjektive groß. Diese Wörter gehören zu Wortgruppe der Indefinitpronomen, sie lassen sich auch nicht steigern und sind somit eindeutig keine Adjektive.

Aber wie meine Mutter schon immer zu sagen pflegte: Keine Regel ohne Ausnahme.

Möchtest du mehr über die syntaxbasierte Didaktik der Großschreibung erfahren und wissen, wie ich diese mittlerweile erfolgreich in meiner LRS-Therapie einsetze?

Um tiefer in dieses Thema einzutauchen, lade ich dich herzlich zu meinem neuesten Online-Seminar ein: "Vermittlung der Großschreibung durch syntaxbasierte Didaktik". Hier werde ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse ausführlicher teilen und praktische Anleitungen für den erfolgreichen Einsatz in der LRS-Therapie geben.

Autorin: Ute Temel, MA - Akademische Therapeutin für Lernstörungen, Integrative Lerntherapeutin (FiL)

Quellen und weiterführende Literatur

Bangel, M., Rautenberg, I., & Werth, C. (2020). Syntaxorientierte Didaktik der Großschreibung. Ein Forschungsüberblick. Didaktik Deutsch: Halbjahresschrift für die Didaktik der deutschen Sprache und Literatur25(48), 55-70.

Günther, H., & Nünke, E. (2005). Warum das Kleine groß geschrieben wird, wie man das lernt und wie man das lehrt.

Rautenberg, I., Wahl, S., Helms, S., & Nürnberger, M. (2016). Syntaxbasierte Didaktik der Großschreibung-ab Klasse 2: Einführung, Methodensammlung, Kopiervorlagen. Mildenberger.

Wahl, S., Rautenberg, I., & Helms, S. (2017). Evaluation einer syntaxbasierten Didaktik zur satzinternen Großschreibung. Didaktik Deutsch, (42).

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