Wenn man die strengen ICD-10 Kriterien zugrunde legt, sind etwa 2 bis 4 % aller Schülerinnen und Schüler von einer Lese-Rechtschreibschwäche bzw. Legasthenie betroffen (Klicpera et al.,2020), aber nicht alle Kinder, die die Buchstaben b und d verwechseln sind Legastheniker und auch nicht alle Legastheniker bringen die beiden Buchstaben durcheinander.
Für unsere Vorfahren in der Wildnis war es noch überlebenswichtig, ein einmal als große Gefahr erkanntes Raubtier auch dann blitzartig als Gefahr wahrzunehmen, wenn es bei der zweiten Begegnung plötzlich von rechts aus dem Dickicht stürmt und nicht wie beim ersten Mal von links. Dieses Reaktionsvermögen unseres Gehirns sicherte über tausende von Jahren unser Überleben. Gleichzeitig erschwert uns diese Flexibilität die Differenzierung der Buchstaben b und d in unserer zivilisierten Welt heute.
Das Gesetz der Ähnlichkeitshemmung ist auch unter dem Begriff Ranschburg-Phänomen bekannt. Es wurde 1905 von dem ungarischen Psychologen und Psychiater Pál Ranschburg nachgewiesen. Er fand heraus, dass Lernende ähnliche Lerninhalte, beispielsweise b und d, nur schwer im Gedächtnis behalten können, wenn diese gleichzeitig, oder in sehr kurzen Abständen, vermittelt werden.
Deshalb sollten ähnliche Lerninhalte nicht unmittelbar hintereinander folgen und schon gar nicht gleichzeitig trainiert werden.
Dank des Psychologen Pál Ranschburg wissen wir nun, dass wir die Buchstaben b und d nicht gleichzeitig trainieren dürfen. Mit welchem Buchstaben man beginnt, ist eigentlich egal. Ich habe mich in meinem Übungsprogramm für den Buchstaben b entschieden.
Zunächst werden die Buchstaben B und b isoliert von allen anderen Buchstaben geübt. Danach wird das Erlesen des Buchstaben b in Kombination mit einfachen Vokalen und Dauerkonsonanten trainiert. Wird der Buchstabe sicher erkannt, kann das Training mit Silben fortgesetzt werden. Abgerundet wird das Training mit dem Erlesen von Wortlisten mit Wörtern die den Buchstaben b enthalten.
Aus jedem b kann durch Anfügen eines weiteren Bogens ein B gemacht werden. Da das B in der Regel beim Lesen keine Probleme bereitet und nicht seitenverkehrt geschrieben wird, kann dieser Trick auch als Erste-Hilfe-Maßnahme in der Schule eingesetzt werden, wenn beim Lesen auch Wörter mit d erlesen werden müssen.
Mach ein B aus dem b!
Bildet man mit der linken Hand eine Faust und streckt den Daumen nach oben, sieht die Hand wie ein b aus. Jedes Mal, wenn ein b gelesen wird, wird der Buchstabe gleichzeitig mit der linken Hand geformt. Um die Richtung, in die der Bauch des Buchstabens schaut, zusätzlich zu unterstreichen, kann die Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger im Anschluss nach rechts bewegt werden.
Man kann auch ein Plakat mit einem b darauf gestalten und an einer Stelle aufhängen, an der man mehrmals am Tag vorbeikommt. Jedes Mal, wenn man das Plakat sieht, spurt man das b mit dem Finger nach, macht die b-Faust und sagt z. B. b wie bauen.
Die Leseübungen mit dem b werden am besten über mehrere Wochen täglich geübt. Bevor auch Wörter mit d in die Leseübungen einfließen, schadet es nicht, eine Pause einzulegen und eventuell einen anderen Buchstaben zu üben.
Die Wortlisten mit Wörtern, die neben einem b auch ein d enthalten, werden ohne großes Aufheben eingeführt. Die Konzentration bleibt weiterhin auf dem b. Der Trick mit dem B und der Trick mit der Faust begleiten weiterhin die Leseübungen.
Götzinger-Hiebner, M. (2012). Rechtschreibprobleme-Problem Rechtschreibung. A. M. Adaktylos (Ed.). Studien-Verlag.
Klicpera, C., Schabmann, A., Gasteiger-Klicpera, B., & Schmidt, B. (2020). Legasthenie-LRS: Modelle, Diagnose, Therapie und Förderung. utb GmbH.
Mit dem Karteikasten Lernwörter für die Ansage lernen
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