Wer übernimmt die Kosten für die Therapie?

Argumente der österreichischen Sozialversicherung

Die österreichische Sozialversicherung argumentiert in ihrem Bericht vom April 2016 mit folgenden Argumenten gegen eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen:

1. Die Deutschen tun‘s auch nicht.

Wörtlich: Im deutschen Gesundheitswesen übernehmen die Krankenkassen die Kosten einer Legasthenie/ Dyskalkulie-Therapie grundsätzlich nicht. Zunehmend weigern sich viele Krankenkassen auch, die Kosten für die Diagnostik zu bezahlen.

2. Es macht keinen Sinn Legasthenie und Dyskalkulie medizinisch einzuordnen

Wie wir aus den vorangegangenen Lektionen gelernt haben sind Legasthenie und Dyskalkulie Störungen, die nach medizinischen Kriterien diagnostiziert werden können und die Vorgaben der ICD-10, einem internationalem Klassifikationssystem von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen, erfüllen. Dennoch meinen Kritiker und die SV, dass es keinen Sinn mache Lernstörungen medizinisch einzuordnen. Die Fokussierung auf eine medizinische Sichtweise mache aus Schülern Patienten.

3. Schulen könnten sich aus der Verantwortung ziehen

Es bestehe Gefahr, dass Schulen und Lehrkräfte sich aus der Verantwortung zurückziehen, da Schulen für eine Therapie nicht zuständig seien. Die Unterstützung der Schule werde gleichsam auf den Notenschutz reduziert. Der Kreis der PatientInnen werde somit immer größer, die Erkrankung bzw. Störung des Kindes könne nur mehr von außerschulischen Expertinnen behandelt werden. Wird die Teilleistungsstörung nicht als Krankheit eines Individuums, sondern als ein schulisches und gesellschaftliches Problem angesehen, können notwendige Veränderungen im Schul- und Erziehungssystem initiiert werden.

Diesem Argument stimme ich voll und ganz zu, allerdings geschieht genau das bereits jetzt schon in den Schulen. Lehrkräfte sind oft nicht ausreichend informiert und Kinder werden von Klasse zu Klasse weitergereicht ohne entsprechende Förderungen zu erhalten. Dringend notwendige Veränderungen im Schulsystem bleiben leider aus. Die soll keinesfalls Kritik an unseren Lehrkräften sein. Vielmehr ist unser Schulsystem nicht auf Kinder mit Lernstörungen vorbereitet.  

4. Legasthenie- bzw. Dyskalkulietherapeuten sind nicht im ASVG angeführt und haben auch kein anerkanntes Berufsbild oder Berufsgesetz.

Legasthenie- und Dyskalkulietherapeuten haben kein anerkanntes Berufsbild oder Berufsgesetz. Wir gehören nicht zu den gesetzlich streng kontrollierten Gesundheitsberufen.  Anbieter von Legasthenie- und Dyskalkulietrainings bzw. -therapien gibt es in Österreich wie Sand am Meer. Leider sind darunter auch viele esoterisch anmutenden Behandlungsansätze verbreitet, die jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Es gebe auch keinen Nachweis, dass Therapieprogramme von Gesundheitsberufen besser oder schneller wirken als pädagogische Förderprogramme.

Österreichische Krankenkassen übernehmen folglich KEINE Kosten für eine Legasthenie- oder Dyskalkulietherapie!

Die Behandlung der Grundstörungen Legasthenie und Dyskalkulie ist keine Kassenleistung, wohl aber die Behandlung der psychischen Folgestörungen. Entwickelt Ihr Kind aufgrund der ständigen schulischen Misserfolge Versagensängste, Schulangst, depressive Verstimmungen oder Störungen im sozialen und emotionalen Bereich können Sie getrost zum Arzt gehen, die Kosten für die Behandlung der Folgestörungen werden übernommen.

Gemäß ASVG können in Österreich auf Kosten der Krankenversicherung Ärzte, Logopäden, Ergotherapeuten, Psychotherapeuten (Krankenbehandlung) und klinische Psychologen (Diagnostik) tätig werden. Dies hat zur Folge, dass manche Kollegen aus dem Gesundheitsbereich ohne zusätzliches Vorliegen einer ausgeprägten Expertise im betreffenden Bereich Legasthenie- oder Dyskalkulietherapien anbieten und diese indirekt verrechnen.

Ist die Therapie von der Steuer absetzbar?

Laut eines Artikels der Presse aus dem Jahre 2013 erkennt der Fiskus die Kosten für eine spezielle Förderung als außergewöhnliche Belastung an, wenn die Lernschwäche von einem Arzt diagnostiziert wurde.

Aber Achtung! Reine Lernhilfen oder Nachhilfestunden gelten NICHT als außergewöhnliche Belastung. Musikunterricht oder Sporttraining fallen unter den Titel Kinderbetreuung und sind somit interessanterweise sehr wohl von der Steuer absetzbar. Verstehe da einer das Steuerrecht!

Noch Fragen? Dann besuchen Sie unsere Facebookgruppe Legasthenie und Dyskalkulie Österreich.

Autorin: Ute Temel, MA, Akademische Therapeutin für Lernstörungen

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.

Quellen:

Die Presse, Absetzmöglichkeiten bringen oft wenig, November 2013, unter: https://www.diepresse.com/1480635/absetzmoglichkeiten-bringen-oft-wenig (abgerufen am 07.08.2020)

Österreichische Sozialversicherung, Bericht zu Legasthenie/Dyskalkulie, April 2016, unter:
https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.714976&version=1467622658 (abgerufen am 07.08.2020)

Stiftung LegaKids, Stellungnahme zur Leitlinie: „Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/ oder Rechtschreibstörung“, Mai 2015 unter: https://www.legakids.net/fileadmin/user_upload/Downloads/Info/Wissenschaft/LegaKids_Stellungnahme_Leitlinien_Mai_2015.pdf (abgerufen am 07.08.2020)

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