Vom Häufchen Elend zur selbstbewussten Rechnerin – oder was Lerntherapie bewirken kann

Nächste Woche muss ich mich wieder von einem meiner Therapiekinder verabschieden. Ein Mädchen, das etwas über ein Jahr bei mir in der Therapie war. Ich kann mich noch gut erinnern, wie das Mädchen das erste Mal bei mir in der Praxis war. Nennen wir sie einfach Anna – das ist natürlich nicht ihr richtiger Name.

Ein Häufchen Elend, ohne Selbstvertrauen, ohne Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und mit einer Rechenstörung. Ich musste furchtbar aufpassen, Anna nicht zu überfordern. Bei der kleinsten Schwierigkeit brach sie in Tränen aus. Neuen Herausforderungen stellte sie sich ungern. Oft reichte es schon aus, anzukündigen, dass wir einen kleinen Schritt weitergehen, und Anna bekam so große Angst, dass sie wieder zu weinen begann. Ließen wir uns mit einem Thema besonders viel Zeit, damit sie neue Fähigkeiten festigen konnte, meinte sie, sie sei dumm, weil sie so lange dafür brauche.

Selbstbewusstsein bei Kindern stärken: Ich bin nicht nur meine Rechenstörung – ich bin so viel mehr

Mit ganz viel Geduld arbeitete ich mit Anna nicht nur an ihren Rechenfähigkeiten, sondern auch an ihrem Selbstbewusstsein. Ich ließ sie über ihre Stärken und wunderbaren Eigenschaften nachdenken. Gemeinsam gestalteten wir ein Das-bin-ich-Blatt, auf dem sie ihre Erkenntnisse festhielt. Stunde für Stunde ergänzte sie es.

Zu Beginn mussten wir noch tief graben, um liebenswerte Eigenschaften und besondere Fähigkeiten aufzuspüren. Häufig hörte ich: „Ich kann nichts. Ich bin dumm.“ Doch mit der Zeit füllte sich das Blatt immer mehr. Und mit jeder weiteren Stunde fiel es Anna leichter, positive Eigenschaften an sich selbst zu entdecken. Heute ist das Blatt voll – und es spiegelt ein ganz tolles, vielseitiges Mädchen wider.

Schulangst Mathe: Fortschritte sichtbar machen

Obwohl Anna bereits die 3. Klasse Volksschule besuchte, mussten wir ganz von vorne beginnen. Wir starteten mit den Basisfertigkeiten: Fingerbilder erkennen, Zählen, Rechnen im Zahlenraum 10.

Da Anna ständig das Gefühl hatte, nichts dazuzulernen, war es wichtig, ihre Fortschritte sichtbar zu machen. Dafür nutzten wir eine Treppen-Visualisierung. Anna begann auf der untersten Stufe: „Ich kann es NOCH nicht.“ Ein kleines Post-it wanderte langsam die Stufen nach oben – bis zur letzten Stufe: „Ich hab’s geschafft!“

Fördermaterial auf Eduki: Stärken erkennen, Fortschritte feiern, Motivation steigern

Anna hat gelernt, dass man sich manchmal anstrengen muss. Dass alles zunächst schwer ist, bevor es leicht wird. Aber sie hat auch gelernt, dass sich Anstrengung auszahlt und dass sie sich im Rechnen verbessern kann. Und dass es am Ende, wenn man es schließlich doch geschafft hat, ein unbeschreiblich tolles Gefühl ist, stolz auf sich selbst zu sein.

Endlich rechnen können

Heute ist Anna viel selbstbewusster. Sie weiß, wer sie ist und was sie kann. Sie ist eine großartige Tänzerin, eine begeisterte Skifahrerin, tierlieb, mutig, ausdauernd, neugierig und eine wunderbare Freundin. Kurz gesagt: Sie ist ein großartiger Mensch – genau so, wie sie ist.

Den Zahlenraum 10 hat Anna schon lange hinter sich gelassen. Heute besucht sie die 4. Klasse Volksschule und folgt dem Mathematikunterricht wie alle anderen Kinder in ihrer Klasse. Sie rechnet sicher im Zahlenraum 100.000, beherrscht alle schriftlichen Rechenverfahren – ob Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division – und kann Aufgaben zuverlässig lösen.

Und das Wichtigste: Mathematik macht ihr endlich keine Angst mehr, sondern Spaß!

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